Geschlechtliche Selbstbestimmung ohne Hürden!

Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg fordert, endlich ein unkompliziertes Verfahren zur Änderung von Personenstand und Vornamen einzuführen. Die rechtliche Anerkennung des Geschlechts von transsexuellen und transgender Menschen bildet eine der wichtigsten Grundlagen für die gesellschaftliche Akzeptanz geschlechtlicher Vielfalt.

Jedes Jahr am 20. November begehen wir den Transgender Day of Remembrance (TDoR) und gedenken weltweit der Opfer transfeindlicher Gewalt. Auch in diesem Jahr erreichen uns Nachrichten von ermordeten transsexuellen und transgender Personen, von Menschen, die deshalb verfolgt und angefeindet werden, weil ihr Geschlecht nicht dem entspricht, was ihnen von anderen zugeschrieben wird.

Gewalt gegen transsexuelle und transgender Menschen gibt es auch in unserem Land. Neben jeder Art von Gewaltverbrechen existiert auch eine Gewalt, die subtiler wirkt und in unserer Gesetzgebung verankert ist. Das Transsexuellengesetz (TSG) regelt seit nunmehr 40 Jahren, wie Menschen, deren Geschlecht von dem ihnen bei Geburt zugeordneten Geschlecht abweicht, Vornamen und Personenstand ändern können. Die dabei einzuhaltende Prozedur wird von Betroffenen als entwürdigend und durchaus gewaltvoll erlebt. „Psychiatrische Zwangsbegutachtung und ein zeitintensives und kostspieliges Gerichtsverfahren zur Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag sind unzumutbar“, sagt Janka Kluge, Mitglied des Sprechendenrats des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg. „Seit die WHO Transsexualität 2018 von der Liste der psychischen Störungen gestrichen hat, gibt es weder eine medizinische Grundlage noch eine Rechtfertigung für das Festhalten an Begutachtungsverfahren.“

Der vor kurzem von den Fraktionen der Grünen, der Linke und der FDP vorgestellte Gesetzesentwurf sieht hingegen eine Selbstbestimmung des Geschlechtseintrags und des Vornamens als standesamtliches Verfahren vor. Vergleichbare Regelungen existieren bereits seit einigen Jahren in anderen europäischen Ländern wie Dänemark, Irland, Schweden, Malta, Norwegen und Portugal. „Es ist an der Zeit, dass auch in Deutschland ein Gesetz in Kraft tritt, das auf Selbstbestimmung beruht und die Forderung des Europarats nach schnellen, transparenten und zugänglichen Verfahren erfüllt“, betont Susanne Hun, Mitglied des Sprechendenrats des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg. „Wir hoffen jetzt darauf, dass die Politiker_innen verantwortungsbewusst handeln und dafür sorgen, dass die systematische Diskriminierung von trans Menschen ein Ende hat. Es gibt auch kritische Stimmen in unserer Community, die Schutzräume von Frauen und Mädchen bedroht sehen. Das verwundert nicht, wenn wir uns vor Augen führen, wie stark sich auch heute noch in der Politik gegen eine körperliche Selbstbestimmung von Frauen und Schutz vor Gewalt an Frauen und Mädchen gewehrt wird. Hier ist es Aufgabe der Politik, deutlich zu formulieren, dass die Internationale Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit geschlechtlicher Selbstbestimmung einhergeht und uns auch in diesem Punkt ins 21. Jahrhundert zu bringen.“

Seit seiner Gründung steht das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg für die Akzeptanz und Anerkennung der Vielfalt von Geschlecht. „Mit unserem Projekt Fortbildung zu Transsexualität, Transgender und Intersexualität leisten wir wertvolle Aufklärungsarbeit“, sagt Tamara Kailuweit, ebenfalls Mitglied im Sprechendenrat des Netzwerks. „Außerdem freut es uns, dass wir schon heute Baden-Württemberg und die Kommunen im Ländle beim Ausbau der bisherigen Beratungsangebote und einer Regelung für trans- und intergeschlechtliche Eltern durch unser anderes Projekt Landesweite Beratung für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, intersexuelle und queere Menschen unterstützen können.“

Viele Gruppen im Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg haben sich trotz der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie auch in diesem Jahr wieder engagiert, um mit zahlreichen Veranstaltungen diesen Gedenktag würdig zu begehen. Der Transgender Day of Remembrance ist der richtige Zeitpunkt, um die Anliegen von transsexuellen und transgender Menschen in den Fokus der Mehrheitsgesellschaft zu rücken und die Vielfalt von Geschlecht sichtbar zu machen. Die detaillierten Beschreibungen der einzelnen Veranstaltungen finden Sie auf unserer Homepage unter www.netzwerk-lsbttiq.net/tdor. Hier ein Überblick über die Termine.

Alle Menschen sind herzlich eingeladen, denn der TDoR geht alle an!

  • Freiburg
    • Lesung mit dem Autor Linus Giese (musste leider abgesagt werden, Ersatztermin ist geplant)
    • Öffentliches Gedenken zum TDoR (Freitag, 20.11.2020, 16:00 bis 18:00 Uhr)
  • Heidelberg
    • Lesung mit dem Autor Linus Giese (musste leider abgesagt werden, Ersatztermin ist geplant)
    • Trans Studierenden nicht das Leben schwer machen (Montag, 2.11.2020, 18:00 bis 20:00 Uhr)
    • Trans*Aktionswochen Rhein-Neckar (2.11.2020 bis 25.11.2020)
  • Karlsruhe
    • Gedenkspaziergang zum TDoR (Freitag, 20.11.2020, 17:00 bis 19:00 Uhr)
  • Konstanz
    • Vortrag über Diskriminierung, Geschlechtsangleichung und das deutsche Transsexuellengesetz (Freitag, 20.11.2020, 19:00 bis 22:00 Uhr)
  • Mannheim
    • Öffentliches Gedenken zum TDoR (Freitag, 20.11.2020, 18:00 bis 19:30 Uhr)
  • Stuttgart
    • Gedenkveranstaltung zum Transgender Day of Remembrance (Freitag, 20.11.2020, 19:00 Uhr)
  • Ulm
    • Gedenkveranstaltung zum Transgender Day of Remembrance (Freitag, 20.11.2020, 18:00 bis 19:30 Uhr)

 

Archiv – Wir machen Geschichte!

Zum TDoR 20132014 2015 2016 2017 2018 • 2019 fanden rund um den 20.11. in verschiedenen Städten Aktionen statt. Eine Übersicht der damaligen Termine halten wir als Retrospektive bereit.

 

Gedenk- und Feiertage des Netzwerks – Internationaler Frauentag, IDAHO und TDoR

Der Transgender Day of Remembrance (20.11.) ist neben dem Internationalen Frauentag (8.3.) und dem Internationalen Tag gegen Homophobie (17.5.) einer der drei Gerdenk- und Feiertage, um die sich jährlich öffentliche Aktionen des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg gruppieren. An diesen drei Gedenktagen stellen wir jeweils ein zentrales Anliegen des Netzwerks in den Mittelpunkt. Wir geben unserer Solidarität Raum und geben dem zentralen Anliegen Raum.

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